November 2020

Verband der Verarbeitungsbetriebe tierischer Nebenprodukte (VVTN) e.V mahnt beim BMEL höhere Wertschöpfung an

Der VVTN hat heute mit einem Memorandum „Nachhaltigere Wertschöpfung aus tierischen Nebenprodukten fördern“ beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) das Eintreten für eine bessere Wortschöpfung angemahnt. Anlass ist die Blockade Deutschlands bei Beratungen der EU zur Aufhebung der Verfütterungsverbote

Memorandum:

Nachhaltigere Wertschöpfung aus tierischen Nebenprodukten fördern

Bei der Herstellung von tierischen Lebensmitteln fallen Nebenprodukte an. Im Zuge der Diskussion um die Verschwendung von Lebensmitteln, einem nachhaltigeren Wirtschaften und dem European Green Deal nehmen Nebenprodukte einen wichtigen Raum ein. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) als zuständiges Ministerium vernachlässigt die Wertschöpfungsoption aus tierischen Nebenprodukten. Dies muss sich ändern! Wir fordern, dass das BMEL aktiv für die möglichst hochwertige Nutzung tierischer Nebenprodukte eintritt.

Lebensmittel

Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein wurde bei Hausschlachtungen praktisch das ganze Tier verwertet. Bevölkerungswachstum und arbeitsteilige Lebensmittelgewinnung haben die Lebens­mittelproduktion aus Tieren wachsen lassen und zu einem beträchtlichen Anfall von Nebenprodukten geführt, die in der Lebensmittelkette nicht mehr benötigt werden.

Es ist eine ethische Verpflichtung, Tiere, die zum menschlichen Verzehr geschlachtet werden, möglichst hochwertig zu nutzen. Dies gilt auch für Nebenprodukte (1).

Futtermittel

Nebenprodukte enthalten – wie das zum menschlichen Verzehr gewonnene Fleisch – einen hohen Gehalt an Nährstoffen, speziell Protein und Phosphor. Phosphor ist bekanntlich eine endliche Ressource. Die Nutzung zu Futtermitteln gewährleistet, dass diese Nährstoffe auf hochwertige Art im Nahrungsmittelkreislauf gehalten werden.

Die Forderung des BMEL nach einer hundertprozentigen Rückstandsfreiheit nicht erwünschter Tierarten ist nicht risikoorientiert und naturwissenschaftlich verfehlt, weil es in der Natur keine hundertprozentige Reinheit gibt. Wir fordern deshalb, dass die Kontroll­mechanismen risikoorientiert ausgestaltet und Grenzwerte so definiert werden, dass sie in der Praxis auch handhabbar sind.

Seit langem bestehen stringente Anforderungen an die Gewinnung von Futtermitteln aus tierischen Nebenprodukten:

Die Rohstoffe bestehen ausschließlich aus Nebenprodukten von Tieren, die zur Schlachtung und damit für den menschlichen Verzehr zugelassen wurden, und sind getrennt von allen nicht für die Futtermittelproduktion zugelassenen Rohstoffen einzusammeln, zu verarbeiten und zu vermarkten. Die Systeme der Rückverfolgbarkeit funktionieren und gewährleisten die Sicherheit der aus Nebenprodukten gewonnenen Futtermittel. Hinzu kommen eine lückenlose Dokumentation durch Handelspapiere und nicht zuletzt eine umfassende Veterinärüberwachung.

Die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) verbietet nur die Nutzung des von Wiederkäuern gewonnenen tierischen Proteins in Wiederkäuerfutter (2). Die Verfütterung von aus Schweinen und Geflügel gewonnenem Protein unterliegt weltweit keinen Beschränkungen – nur eben in der EU.

Aus einem Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ergibt sich, dass unter natürlichen Bedingungen keinerlei TSE (3) in Schweinen und Geflügel ermittelt werden konnte (4).

Dementsprechend hat sich auch das Europäische Parlament für die Aufhebung des aktuellen Verfütterungsverbots eingesetzt[5]

„7. [Das Europäisches Parlament] unterstützt – vor allem angesichts des in der EU bestehenden Proteindefizits – den Vorschlag der Kommission, die Bestimmungen zum Verbot der Verfütterung von verarbeiteten tierischen Proteinen an Nichtwiederkäuer aufzuheben, sofern dies nur auf Nicht-Pflanzenfresser angewendet wird“.

Darüber hinaus ist dieser Vorschlag als ein Beitrag zur „Green-Deal“-Politik und zur „Farm-to-Fork“-Strategie für nachhaltige Nahrungsmittel zu betrachten. Er würde insbesondere den Boden dafür ebnen, die Proteinversorgung des EU-Viehbestands nachhaltiger zu gestalten, indem die Industrie dadurch die Möglichkeit erhält, importiertes Soja- und Fischmehl durch hochwertiges Eiweiß aus lokalen tierischen Nebenprodukten zu ersetzen, um so den Bedarf an Eiweiß in der Futterration von Nutztieren zu decken (6).

Düngemittel

Das Rechtsregime der EU für tierische Nebenprodukte regelt, was prinzipiell zu Futtermitteln verarbeitet werden darf und daher auch, was mit den Nebenprodukten zu geschehen hat, die nicht zu Futtermitteln verarbeitet werden dürfen (7). Diese dürfen zum Teil für Düngemittel genutzt werden, was auch dazu führt, dass die Nährstoffe nachhaltig verwertet werden können, indem sie über den Boden in die Pflanze transformiert werden.

Hierzu dürfen auch tierische Proteine der Kategorie 2 (nicht für Futtermittel geeignet) verwendet werden. Bis 2011 durften organische Düngemittel und Bodenverbesserungsmittel mit diesen Proteinen exportiert werden; hierfür gab es eine spezielle Verordnung der EU (8). Mit der Überarbeitung des Tierische Nebenprodukte-Rechts (9) ist dies entfallen, ohne dass es hierzu eine negative Risikoeinschätzung gab.

Kategorie-2-Proteine enthalten ebenfalls hochwertige Pflanzennährstoffe (10), da sie von für die Nahrungsmittel­gewinnung gehaltenen Tieren anfallen. Es ist daher nicht einzusehen, dass diese hochwertigen Nährstoffe nicht auch in Düngemitteln exportiert werden dürfen.

Das BMEL zeigt sich aktuell sehr zögerlich, einem Vorschlag der EU, den Export wieder zu erlauben, zuzustimmen (11). Ein Grund dafür ist nicht ersichtlich, da auch der Terrestrial Code der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) dem Export von Düngemitteln aus Ländern mit vernachlässigbarem BSE-Risiko keine Grenzen setzt.

Alternativen?

Werden die Proteine aus der Verarbeitung von tierischen Nebenprodukten nicht als Futtermittel oder Düngemittel verwendet, so bleibt am Ende nur die thermische Verwertung (Nutzung des Energiegehaltes) oder Verbrennung (finale Beseitigung mangels anderer Möglichkeiten). Dies bedeutet die Vernichtung von wertvollen Nährstoffen, da in der thermischen Verwertung nur noch der Energiegehalt genutzt wird und es auf die Nährstoffe nicht ankommt. In einem führenden Industrieland, das jährlich tausende Tonnen an Proteinen und Phosphaten einführen muss, darf die Nutzung dieser Stoffe nicht unmöglich gemacht werden.

Und die Sicherheit?

Auf das Rechtsregime für tierische Nebenprodukte haben wir oben bereits hingewiesen. Es schreibt darüber hinaus vor:

  • welche Rohstoffe zu welchen Endprodukten verarbeitet werden dürfen;
  • die Erhitzungsbedingungen für die verschiedenen Rohstoffe und Verwendungen anhand konkreter Zeit-/Temperaturbedingungen oder der Eliminierung hitzebeständiger Leitkeime;
  • Zugabe eines Markers (Glycerintriheptanoat – GTH) in den Produktionsprozessen, in denen kein Protein für Futtermittel hergestellt werden darf, damit diese Produkte nicht mit Futtermitteln vermischt werden können, ohne dass dies entdeckt wird;
  • Verfütterungsverbot tierischer Proteine an die gleiche Tierart, aus der sie hergestellt wurden (obgleich dies biologisch irrelevant ist);
  • vollständige Rückverfolgbarkeit und Transparenz auf allen Prozessstufen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat zum Risiko der Nutzung verarbeiteter tierischer Proteine Stellung genommen und die Nutzung wie hier gefordert anerkannt (12).

Was macht das BMEL (nicht)?

Den Dialog mit dem für uns zuständigen BMEL würden wir gern verbessert wissen, unsere Sachkunde und unsere Vorschläge einbringen, damit diese in Betracht gezogen werden können. Wir sehen uns hinsichtlich des Exportes unserer verarbeiteten tierischen Proteine in Drittländer durch das Referat 324 (Veterinärangelegenheiten beim Export) gut unterstützt, würden uns dies aber auch von dem für tierische Nebenprodukte zuständige Referat 322 wünschen (13).

Der aktuelle Leiter des Referates 322 hatte noch am 11. April 2019 gegenüber unserem Geschäftsführer erklärt, dass ein regelmäßiger Informations- und Erfahrungsaustausch mit unserem Verband wünschenswert sei. Dazu ist es bis heute nicht gekommen.

Wir sehen uns ignoriert in unseren Bemühungen, mit unseren Produkten zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion beizutragen.

Verantwortliche Politiker, die eine effiziente Wertschöpfung und nachhaltiges Wirtschaften fördern wollen, sollten sich daher auch für tierische Nebenprodukte einsetzen und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft drängen, diesen Gedanken auch bei Vorschlägen der Kommission zum Rechtsregime der tierischen Nebenprodukte aktiv zu vertreten.

Bonn, den 2. November 2020


[1] Max Straubinger, MdB, Stenografischer Bericht des Deutschen Bundestages, 173. Sitzung vom 10.10.2020, S. 21666 (A)

[2] Abschnitt 11.4 des Gesundheitskodex (Terrestrial Code) für Landtiere

[3] Transmissible Spongiforme Enzephalopathie, Oberbegriff für Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE)

[4] Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums für biologische Gefahren auf Ersuchen des Europäischen Parlaments zu bestimmten Aspekten im Zusammenhang mit der Verfütterung von Tierprotein an Nutztiere, EFSA-Journal (2007), Journal-Nummer 576, 1-41

[5] Beschluss des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2011 zu den EU-Rechtsvorschriften über transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) und damit zusammenhängende Futter- und Lebensmittelkontrollen - Umsetzung und Perspektiven

[6] Europäische Kommission am 14. September 2020 in der Beantwortung der Petition 0154/2020 (Dok. 2019-2024, PE657.342v01-00)

[7] Verordnungen (EG) Nr. 1069 / 2009 und (EU) 142 / 2011 sowie (EG) Nr. 999 / 2001

[8] Verordnung (EG) Nr. 181 / 2006

[9] Ablösung der Verordnung (EG) Nr. 1774 / 2002 durch die Verordnungen (EG) Nr. 1069 / 2009 und (EU) Nr. 142 / 2011

[10] Stickstoffgehalt tierischer Proteine der Kategorie 2 etwa zehn Prozent, zum Vergleich: Gülle (Hühner­trockenkot) etwa drei Prozent

[11] Aus dem Kreis der Vertreter der Mitgliedstaaten im Standing Committee for Plants, Animals, Food an Feed (PAFF) der Mitgliedstaaten wird berichtet, dass Deutschland eine Vergällung mit 50 % Gülle gefordert habe. Eine Rechtfertigung dafür gibt es nicht. Die Forderung ist praxisfremd, da Düngemittel üblicherweise mehr als 50 % tierisches Protein enthalten.

[12] Updated quantitative risk assessment (QRA) of the BSE risk posed by processed animal protein (PAP); EFSA Journal 2018, 16[7]:5314

[13] Bis zum Jahr 2012 erhielten wir – wie auch andere betroffene Verbände - regelmäßig Berichte über die Arbeitsgruppen-Sitzungen der Kommission zu tierischen Nebenprodukten, was für das Verständnis des Rechts der tierischen Nebenprodukte sehr informativ war. Diese Praxis ist eingestellt worden.